Wie empfindet das menschliche Auge Tageslicht und Kunstlicht

Spektraler Strahlungsfluß bei klarem Himmel
Spektrale Strahldichteverteilung einer 40 W Glühlampe

Physiologische Lichtwahrnehmung

Genau genommen bezeichnet man Licht als denjenigen Teil der optischen Strahlung, der im menschlichen Auge eine bestimmte Hellempfindung hervorruft. Verantwortlich dafür sind bestimmte Rezeptoren (sog. Zapfen) auf der Augennetzhaut, die die ins Auge gelangte Strahlung absorbieren und über lichtempfindliche chemische Prozesse als Reizinformation weiterleiten. Diese Empfängerzellen in der Netzhaut besitzen jedoch für verschiedene Spektralbereiche nicht die gleiche Empfindlichkeit. Demzufolge ist die Hellempfindlichkeit des menschlichen Auges eine Funktion der Strahlungswellenlänge, die auch als V(λ)-Kurve bezeichnet wird. Die relativ angegebene spektrale Empfindlichkeit wird dabei auf den Maximalwert normiert, der bei einer Wellenlänge von λ=555 nm liegt. Der Mensch besitzt also seine größte Lichtempfindlichkeit für Spektralfarben im gelb-grünen Bereich, während ultraviolette (λ<380 nm) und infrarote (λ>780 nm) Strahlungsanteile vollständig unsichtbar sind und daher nicht zur "Licht-Empfindung" beitragen. Die V(λ)-Kurve ist standardisiert für den Durchschnittsbeobachter, wobei individuelle Abweichungen möglich sind.

Neben den Zapfen, die für das Sehen am hellen Tage genutzt werden, gibt es noch eine weitere Sorte von Rezeptoren auf der Augennetzhaut - die Stäbchen. Bei einsetzender Dämmerung bzw. sehr geringen Helligkeiten wird die Reizaufnahme vom Gehirn auf diese Empfänger "umgeschaltet". Die Stäbchen sind für das Nachtsehen bestimmt, wobei die spektrale Empfindlichkeit V´(λ) etwas in den blauen Bereich verschoben ist. Eine Farbwahrnehmung mit Stäbchen ist nicht möglich, dafür erreichen sie aber eine höhere absolute Empfindlichkeit.

Kurven der spektralen Hellempfindlichkeiten V(λ) bzw. V’(λ) des menschlichen Auges für Tages- und Nachtsehen

Die Fähigkeit des Auges, sich an unterschiedliche Beleuchtungsniveaus anzupassen, wird als Adaptation bezeichnet. Die Veränderung der Pupillengröße trägt dazu nur zu einem geringen Teil bei, der weitaus größere Anteil der enormen Anpassungsfähigkeit wird durch das "Zusammenschalten" von Rezeptoren erreicht. Damit ist das Auge in der Lage, meßbare Hell-Dunkel-Unterschiede im Verhältnis von 1:10 Milliarden wahrzunehmen. Die Zeit, die das Auge benötigt, um sich von einer hellen Umgebung auf Dunkelheit einzustellen, ist dabei erheblich länger als bei einer Anpassung von "dunkel" auf "hell".

Effektivität von Beleuchtungsquellen

Will man nun bestimmte Strahlungsquellen, z.B. Glühlampen, Leuchtstofflampen oder auch Tageslicht, hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für Beleuchtungszwecke charakterisieren, so muss man das gesamte abgegebene Spektrum mit der V(λ)-Funktion bewerten. Dabei ist jeder einzelne spektrale Anteil mit dem jeweiligen V(λ)-Wert zu gewichten und aufzusummieren.

Der visuelle Nutzeffekt einer Beleuchtungsquelle ist demzufolge dadurch gekennzeichnet, wieviel Prozent der gesamten Strahlungsenergie tatsächlich zum "Sehen" genutzt werden kann. Dieses Verhältnis ist neben dem ökonomischen Aspekt auch hinsichtlich ungewünschter Begleiterscheinungen relevant, wie etwa der Wärmebelastung durch Infrarotstrahlung. Bei Glühlampen, sog. Temperaturstrahlern, beträgt z.B. der Anteil der nutzbaren Strahlungsenergie nur ca. 2-3%. Das gesamte kontinuierliche Spektrum umfaßt hier im wesentlichen den infraroten Bereich, was wir als Wärmestrahlung deutlich wahrnehmen können.

Die spektrale Verteilung des Tageslichtes kann zwar bedingt durch Witterung und Tageszeit schwanken, bleibt aber im Wesentlichen energiegleich, d.h. die unterschiedlichen Spektralbereiche kommen mit ähnlich hoher Bestrahlungsstärke vor. Zwar sind ebenfalls gewisse (für das Leben auf der Erde notwendige) Strahlungsanteile im UV und IR vorhanden, die Empfindlichkeit der visuellen Hellempfindung des Menschen hat sich jedoch evolutionsgeschichtlich optimal an diese Bedingungen angepaßt, so daß etwa 17% der gesamten Bestrahlungsstärke (bei bedecktem Himmel) als Tages-"Licht" zur Verfügung steht.

Spektraler Strahlungsfluß bei bedecktem Himmel
Spektraler Strahlungsfluß bei klarem Himmel
Spektrale Strahldichteverteilung einer 40 W Glühlampe
Spektraler Strahlungsfluß Halophosohat-Leuchtstoffröhre
Spektraler Strahlungsfluß Dreibanden-Leuchtstoffröhre

Zeitliche Gleichmäßigkeit

Bei der Beurteilung der zeitlichen Gleichmäßigkeit als Gütekriterium der Beleuchtung sind schnelle und langsame Veränderungen differenziert zu betrachten.

Unter schnellen Veränderungen ist dabei die zeitliche Welligkeit des abgegebenen Lichtes aufgrund pulsierender Schwankungen der Einspeisung, wie etwa bei Wechselstrombetrieb, zu verstehen. Wesentlich entscheidend, ob diese Welligkeit als störend empfunden wird, ist die Flimmerverschmelzungsfrequenz des Auges, die auch von individuellen Gegebenheiten abhängt. Liegt die Frequenz der Lichtwelligkeit oberhalb dieser Verschmelzungsfrequenz, so ist sie für uns nicht mehr wahrnehmbar. Man spricht hier von Pulsation (z.B. Hochfrequenzbetrieb von Leuchtstofflampen). Unterhalb der Verschmelzungsfrequenzgrenze ist die Welligkeit jedoch als störendes Flimmern bemerkbar. Das Auge ist hierfür besonders im peripheren Gesichtsfeld empfindlich. Bei schnell bewegten Objekten (z.B. Drehbank) kann es außerdem zu stroboskopischen Effekten und damit verbundenen Bewegungstäuschungen kommen. Solche Probleme entfallen naturgemäß bei der Beleuchtung mit Tageslicht.
Relativ langsame Veränderungen der Beleuchtung können dagegen die menschliche Psyche durchaus positiv beeinflussen. Die natürliche Dynamik des Tageslichtes bei wechselnder Bewölkung und sich änderndem Sonnenstand hat dabei im allgemeinen eine anregende Wirkung auf unsere emotionale Stimmung. Erst langsam gewinnt auch die Variabilität der Beleuchtung durch künstliches Licht im Innenraum mehr und mehr als Gütemerkmal an Bedeutung. Monotone und auf Dauer ermüdende konstante Beleuchtung hat keinen förderlichen Einfluß auf Konzentration und Leistungsfähigkeit.

Farbwiedergabe

Das annähernd energiegleiche Spektrum des Tageslichtes bietet zudem den Vorteil, daß alle Körperfarben naturgetreu wiedergegeben werden. Im Gegensatz dazu geben die sog. Gasentladungslampen meist Linienspektren ab, in denen einige Spektralfarben unterschiedlich stark vertreten sind und somit die Farbwiedergabe von beleuchteten Objekten verfälschen können.

Zusammenfassung

Die Physiologie des Auges hat sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung des Menschen an die natürlichen Gegebenheiten des Tageslichtes als ursprüngliche Lichtquelle angeglichen, sowohl im Hinblick auf spektrale Verteilung als auch zeitlichen Verlauf. Die zusätzliche Nutzung des verfügbaren Tageslichtes für die Innenbeleuchtung liegt daher nicht nur unter ökonomischen, sondern auch unter psycho-physischen Gesichtspunkten nahe. Die diesbezügliche Beleuchtungsqualität des Tageslichtes läßt sich gegenwärtig mittels künstlichen Lichtquellen mit vertretbarem wirtschaftlichem Aufwand nur annähernd erreichen.